Mittwoch, 18. Dezember 2013

Ein afrikanischer Regent für Berlins Schlossplatz

Nelson Mandela wäre ein ehrwürdiger Namensgeber für die Freifläche vor dem künftigen Humboldtforum. Aber nicht unbedingt der richtige: Mutiger wäre ein Bekenntnis zur deutschen kolonialen Vergangenheit - und ihren Opfern.

Nelson-Mandela-Platz 1: Der Vorschlag der Stiftung Zukunft Berlin, die Freifläche vor dem künftigen Schloss nach dem verstorbenen Friedensnobelpreisträger zu benennen, ist überdenkenswert. Die Adresse könnte Strahlkraft erzeugen für das Ansinnen, im neuen Humboldtforum einen Beitrag zur Versöhnung zu leisten zwischen den ehemaligen Kolonialherren und den von ihnen ausgebeuteten Völkern, und das möglichst auf Augenhöhe. Schließlich soll das neue Schloss in Berlins alter Mitte in wenigen Jahren zu einem „Ort der Weltkulturen“ werden.

Mit den außereuropäischen Sammlungen, die aus fernen Weltregionen nach Berlin getragen wurden, soll im barocken Imitat des ehemals kaiserlichen Dienstsitzes zugleich ein Dialog über Vielfalt und Werte der Weltkulturen in Gang kommen.
„Neugier anstelle von Vorurteil und Anschaulichkeit statt Ideologie sind hier wesentliche Antriebe. Dazu gehört, sich zur eigenen Geschichte zu bekennen“, lautet die staatstragende Vision, die der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, für das Humboldtforum hat.

Statt Nelson Mandela sollte Samuel Maherero geehrt werden

Ein Bekenntnis zur eigenen Geschichte ließe sich allerdings eher mit einem anderen Namen vor der Tür ablegen. Mandelas Vermächtnis ist aller Ehren wert, aber mit der kolonialen Erblast der Deutschen verbindet ihn nichts. Mutiger wäre es, für die Benennung des Schlossvorplatzes einen Namenspatron zu wählen, der unmittelbaren Bezug zur deutschen Kolonialvergangenheit herstellt. Im heutigen Namibia, dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, steht ein Freiheitskämpfer bereit, der ein würdiges Andenken an diesem zentralen Ort verdient hätte. Sein Name ist Samuel Maherero.

Der Stammesführer der Herero, der 1904 den bewaffneten Aufstand gegen die rassistische Raub- und Gewaltherrschaft der deutschen Schutzmacht anführte, wird in seiner Heimat als Nationalheld verehrt, in Deutschland ist er nahezu vergessen. Die Erinnerung an das dunkle Kapitel deutscher Vergangenheit auf dem schwarzen Kontinent ist aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt. Denn die Geschichte des ehemaligen Priesterschülers und Stammesregenten gemahnt an das katastrophale Scheitern der kaiserlichen Kolonialträume vom „Platz an der Sonne“.


Samuel Maherero. Foto: Bundesarchiv

Es ist auch eine Geschichte verunglückter Annäherung, enttäuschter Freundschaft und missbrauchten Vertrauens. Samuel Maherero, der anfangs um Einvernehmen mit der deutschen Kolonialverwaltung bemüht war, sah seine politischen Hoffnungen auf ein gedeihliches Miteinander bald zerschlagen. Immer mehr einheimische Bauern verloren ihr Land an deutsche Siedler, die sie in die Lohnarbeit zwangen. Misshandlungen, Vergewaltigung und auch Morde durch die Farmer blieben in der Regel ungesühnt. Die fortschreitende Armutsabhängigkeit der Bevölkerung und die rassistischen Demütigungen des Alltags bereiteten der Rebellion den Boden.

Der Aufstand wurde niedergeschlagen. Die herausgeforderte Schutzmacht reagierte mit einem Vernichtungsbefehl. „Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen“, ordnete Generalleutnant Lothar von Trotha an. Die deutsche Heeresleitung rief einen „Rassenkampf“ aus. Flüchtlinge wurden von der Wasserversorgung abgeschnitten und verdursteten, tausende starben in Konzentrationslagern. Der vierjährige Vernichtungsfeldzug kostete 80.000 bis 100.000 Menschen das Leben. Nur 20 Prozent der am Aufstand beteiligten Stämme der Herero und Nama überlebten. Samuel Maherero gelang die Flucht nach Britisch-Betschuanaland, dem heutigen Botswana, wo er 1923 starb.

Deutschland hat den Völkermord an den Herero bis heute nicht anerkannt

Die Anerkennung als Völkermord, die das Massaker durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen erhielt, verweigert die Bundesregierung den Opfern und ihren Nachfahren bis heute – mit der Begründung, die 1948 beschlossene UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes könne nicht auf Ereignisse vor diesem Datum angewendet werden. Zur historischen und moralischen Verantwortung habe man sich aber wiederholt bekannt, auch gegenüber Namibia und den Nachfahren der Opfer, erklärte die Bundesregierung erst im August 2012.

Die Benennung des Schlossvorplatzes nach Samuel Maherero wäre ein Symbol dafür, dass sich Deutschland dieser Verantwortung auch im eigenen Land stellt, an sichtbarem und prominentem Ort. Der ehemalige Stammesfürst der Herero würde den versöhnlichen Anspruch des Humboldtforums adeln, an jenem Platz, von dem aus die afrikanischen Untertanen einst regiert wurden.

In Berlin war Samuel Maherero nie, anders als sein Sohn, dem der Vater zu besseren Zeiten den Königsnamen Friedrich gegeben hatte. Er durfte 1896 in die ferne Reichshauptstadt reisen. Bei einer Kolonialausstellung im Treptower Park diente Friedrich Maherero als Statist in einem „Negerdorf“.

Dieser Beitrag ist erschienen auf Tagesspiegel.de 16.12.2013


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