Nelson Mandela wäre ein
ehrwürdiger Namensgeber für die Freifläche vor dem künftigen Humboldtforum.
Aber nicht unbedingt der richtige: Mutiger wäre ein Bekenntnis zur deutschen
kolonialen Vergangenheit - und ihren Opfern.
Nelson-Mandela-Platz 1: Der Vorschlag der Stiftung Zukunft Berlin, die Freifläche vor
dem künftigen Schloss nach dem verstorbenen Friedensnobelpreisträger zu
benennen, ist überdenkenswert. Die Adresse könnte Strahlkraft erzeugen für das
Ansinnen, im neuen Humboldtforum einen Beitrag zur Versöhnung zu leisten zwischen
den ehemaligen Kolonialherren und den von ihnen ausgebeuteten Völkern, und das
möglichst auf Augenhöhe. Schließlich soll das neue Schloss in Berlins alter
Mitte in wenigen Jahren zu einem „Ort der Weltkulturen“ werden.
Mit den außereuropäischen
Sammlungen, die aus fernen Weltregionen nach Berlin getragen wurden, soll im
barocken Imitat des ehemals kaiserlichen Dienstsitzes zugleich ein Dialog über
Vielfalt und Werte der Weltkulturen in Gang kommen.
„Neugier anstelle von
Vorurteil und Anschaulichkeit statt Ideologie sind hier wesentliche Antriebe.
Dazu gehört, sich zur eigenen Geschichte zu bekennen“, lautet die
staatstragende Vision, die der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz,
Hermann Parzinger, für das Humboldtforum hat.
Statt Nelson Mandela
sollte Samuel Maherero geehrt werden
Ein Bekenntnis zur eigenen
Geschichte ließe sich allerdings eher mit einem anderen Namen vor der Tür
ablegen. Mandelas Vermächtnis ist aller Ehren wert, aber mit der kolonialen
Erblast der Deutschen verbindet ihn nichts. Mutiger wäre es, für die Benennung
des Schlossvorplatzes einen Namenspatron zu wählen, der unmittelbaren Bezug zur deutschen Kolonialvergangenheit
herstellt. Im heutigen Namibia, dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, steht
ein Freiheitskämpfer bereit, der ein würdiges Andenken an diesem zentralen Ort
verdient hätte. Sein Name ist Samuel Maherero.
Der Stammesführer der
Herero, der 1904 den bewaffneten Aufstand gegen die rassistische Raub- und
Gewaltherrschaft der deutschen Schutzmacht anführte, wird in seiner Heimat als
Nationalheld verehrt, in Deutschland ist er nahezu vergessen. Die Erinnerung an
das dunkle Kapitel deutscher Vergangenheit auf dem schwarzen Kontinent ist aus
dem kollektiven Gedächtnis verdrängt. Denn die Geschichte des ehemaligen
Priesterschülers und Stammesregenten gemahnt an das katastrophale Scheitern der
kaiserlichen Kolonialträume vom „Platz an der Sonne“.
Es ist auch eine
Geschichte verunglückter Annäherung, enttäuschter Freundschaft und
missbrauchten Vertrauens. Samuel Maherero, der anfangs um Einvernehmen mit der
deutschen Kolonialverwaltung bemüht war, sah seine politischen Hoffnungen auf
ein gedeihliches Miteinander bald zerschlagen. Immer mehr einheimische Bauern
verloren ihr Land an deutsche Siedler, die sie in die Lohnarbeit zwangen.
Misshandlungen, Vergewaltigung und auch Morde durch die Farmer blieben in der
Regel ungesühnt. Die fortschreitende Armutsabhängigkeit der Bevölkerung und die
rassistischen Demütigungen des Alltags bereiteten der Rebellion den Boden.
Der Aufstand wurde
niedergeschlagen. Die herausgeforderte Schutzmacht reagierte mit einem
Vernichtungsbefehl. „Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder
ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen“, ordnete Generalleutnant Lothar von
Trotha an. Die deutsche Heeresleitung rief einen „Rassenkampf“ aus. Flüchtlinge
wurden von der Wasserversorgung abgeschnitten und verdursteten, tausende
starben in Konzentrationslagern. Der vierjährige Vernichtungsfeldzug kostete
80.000 bis 100.000 Menschen das Leben. Nur 20 Prozent der am Aufstand
beteiligten Stämme der Herero und Nama überlebten. Samuel Maherero gelang die
Flucht nach Britisch-Betschuanaland, dem heutigen Botswana, wo er 1923 starb.
Deutschland hat den Völkermord an den
Herero bis heute nicht anerkannt
Die Anerkennung als
Völkermord, die das Massaker durch die Generalversammlung der Vereinten
Nationen erhielt, verweigert die Bundesregierung den Opfern und ihren
Nachfahren bis heute – mit der Begründung, die 1948 beschlossene UN-Konvention
über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes könne nicht auf Ereignisse
vor diesem Datum angewendet werden. Zur historischen und moralischen
Verantwortung habe man sich aber wiederholt bekannt, auch gegenüber Namibia und
den Nachfahren der Opfer, erklärte die Bundesregierung erst im August 2012.
Die Benennung des
Schlossvorplatzes nach Samuel Maherero wäre ein Symbol dafür, dass sich
Deutschland dieser Verantwortung auch im eigenen Land stellt, an sichtbarem und
prominentem Ort. Der ehemalige Stammesfürst der Herero würde den versöhnlichen
Anspruch des Humboldtforums adeln, an jenem Platz, von dem aus die
afrikanischen Untertanen einst regiert wurden.
In Berlin war Samuel
Maherero nie, anders als sein Sohn, dem der Vater zu besseren Zeiten den
Königsnamen Friedrich gegeben hatte. Er durfte 1896 in die ferne
Reichshauptstadt reisen. Bei einer Kolonialausstellung im Treptower Park diente
Friedrich Maherero als Statist in einem „Negerdorf“.
Dieser Beitrag ist erschienen auf Tagesspiegel.de 16.12.2013