Ach, liebe Leserinnen und Leser, diese Hitze! Wir dachten
schon, sie sei auch Londons Bürgermeister Boris Johnson zu Kopf gestiegen, als
er diese Woche in der britischen Tageszeitung „Telegraph“ von seinem
Berlin-Besuch schwärmte und unsere Stadt in den azurblauen Himmel lobte. So
lässig, relaxed und freizügig seien wir inzwischen, dass vor diesem Deutschland
niemand in Europa mehr Angst haben müsse. Seine These: Von Leuten, die nackt im
Park rumhängen und sich zum Sex in die Büsche schlagen, ist kein Angriffskrieg
zu befürchten. Aber wird dieses Berlin-Bild auch in den gebeutelten
EU-Krisenländern des Südens geteilt. Wir haben uns umgehört.
Der Grieche.
„Kalimera! Ja, ja, habe ich gelesen. Natürlich, Berlin ist eine wunderschöne
Stadt“, versichert Botschaftsrat Athanassios Lambrou. „Nur in einem Punkt hat
Johnson unrecht: Dass die Mieten niedrig sind, kann man nicht behaupten.“ Er
selbst sei erst vor kurzem hergezogen. „Ich habe eine 120-Quadratmeter-Wohnung
gefunden und zahle 2000 Euro Miete. Das ist nicht gerade billig.“ Für das Geld
bewohnt Lambrou aber keine Bruchbude – anders als mancher junger Grieche, der
wegen fehlender Jobs in der Heimat ebenfalls sein Glück in Berlin sucht. Wegen
der Mietpreise macht Athanassios Lambrou der deutschen Kanzlerin keine
Vorwürfe.
Der Italiener. Der
Ruf Angela Merkels, in den Südstaaten nicht selten als unbarmherzige
Euro-Domina gescholten, lässt das Hipness-Image der Hauptstadt völlig
unbeschadet. Dass es im sommerlichen Berlin womöglich nur deshalb so schön sei,
weil die Kanzlerin Ferien macht, könne man gewiss nicht bestätigen, heißt es
aus der italienischen Botschaft. Überhaupt sei auf die Anfrage für den
„satirischen Wochenrückblick“ nur eine formelle Stellungnahme möglich. Beppe
Grillo klingt anders.
Der Portugiese. Fühlt sich hier zu Hause, weil „wir ebenso
wie die Berliner eine offene und tolerante Seele haben“, sagt Luís de Almeida
Sampaio. Auch darum sei er Botschafter in Berlin geworden und nicht in London.
„Läge Berlin an der Atlantikküste, könnte es vielleicht eine noch lebenswertere
Stadt als Lissabon sein.“
Der Spanier. „Ich
bin ein großer Freund von Berlin“, sagt Pablo Lopez, spanischer Botschaftsrat.
„Die Stadt ist so grün, viel Natur“ – er könne gut verstehen, dass viele
Spanier die Freizügigkeit nutzten, um hier neue Erfahrungen zu sammeln. In den
Grünanlagen? Oh, nein! Lopez meint das Recht aller EU-Bürger, Arbeit und
Wohnort innerhalb der Union frei bestimmen zu können. Nackt im Park sei der
Spanier selbst eher nicht so gerne.
Erschienen im Tagesspiegel vom 27.07.2013, MEHR BERLIN
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